Was ist Achtsamkeit?

Was ist Achtsamkeit?

 „Achtsamkeit ist ein einfacher, aber sehr kraftvoller Weg des Im-Leben-Seins, die bewusste Wahrnehmung des gegenwärtigen Moments ohne Bewertung unseres Selbst und der Erfahrung, die wir gerade machen.“ (n.n.)

Es gibt keine einheitliche Definition von Achtsamkeit. Achtsamkeit speist sich immer aus der Erfahrung und beinhaltet das Gewahrsein gegenwärtigen Erlebens von Gedanken, Bildern, Gefühlen, Stimmungen, sensorischen Wahrnehmungen, inneren Körperempfindungen, muskulären Veränderungen, Bewegungs- und Handlungsimpulsen infolge äußerer und innerer Reize. Sie bedeutet ein genaues Beobachten  aus einer ganz bestimmten Haltung: wohlwollendes Akzeptieren, nichts zu bewerten, nichts anders haben zu wollen und verändern zu müssen. Achtsamkeit beschreibt einen bloßen Seins-Zustand bzw. ein aktives Nicht-Tun und keinen Tun-Modus.

Drei Bedeutungen
  • Innere Achtsamkeit ist gleichsam ein Instrument der Selbsterforschung und ein Weg zur Einsicht, das helfen kann, aus Automatismen, „Trancen“, aus einengenden und auch destruktiven Mustern auszusteigen.
  • Achtsamkeit beschreibt eine innere Haltung und ebnet den Weg zur Selbstakzeptanz. Ihre fokussierte Aufmerksamkeit ist unvoreingenommen, offen, liebevoll zugewandt, achtungsvoll, interessiert und erkundend. Sie bemerkt und greift nicht ein.
  • Achtsamkeit ist ein Bewusstseinszustand, der den „inneren Beobachter“ stärkt. Die Tätigkeit des Beobachtens rückt in den Vordergrund und das Beobachtete in den Hintergrund. Dadurch wird es in seinem Kommen und Gehen vorübergehend, vergänglich und weniger wesentlich erkannt.

 „Achtsamkeit ist jenes Gewahrsein, das entsteht, wenn sich die Aufmerksamkeit mit Absicht und ohne zu bewerten auf die Erfahrungen richtet, die sich von Moment zu Moment entfalten.“ (Kabat-Zinn 2003)

„Achtsamkeit ist die Fähigkeit, in jedem Augenblick unseres täglichen Lebens wirklich präsent zu sein …Achtsamkeit ist eine Art von Energie, die jedem Menschen zur Verfügung steht. Wenn wir sie pflegen, wird sie stark, wenn wir sie nicht üben, verkümmert sie … Achtsamkeit lässt uns erkennen, was im gegenwärtigen Augenblick in uns und um uns herum wirklich geschieht.“ (Thich Nhat Hanh, 1998)

 

Wenn wir achtsames Atmen praktizieren, kommen Körper und Geist zusammen. Er stellt eine Brücke zwischen Körper und Geist dar, der oft noch mit der Vergangenheit oder schon mit der Zukunft beschäftigt ist oder sich in Sorgen, Ängsten, Ärger etc. verstrickt ist.

Ich atme ein und komme zur Ruhe, ich atme aus und lächle. Ich atme ein und weiß: Ich lebe. Ich atme aus und lächle dem Leben zu.

 

Durch die Übungspraxis öffnen sich die Tore zur inneren Welt und wir können bewusst darüber wachen, was wir in uns aufnehmen oder wofür wir uns einsetzen. Unser Geist findet dabei Ruhe und Klarheit, wir werden eins mit uns selbst, authentisch und im Kontakt mit anderen sicher.

Vier Grundlagen des achtsamen Wandels

  1.  Erkennen
  2.  Akzeptieren
  3. Erforschen
  4. Nicht-Identifizieren

Wenn wir der Welt im Bemühen um Erkennen, Akzeptanz, Erforschung und Nicht-Identifikation entgegentreten, entdecken wir, dass Freiheit möglich ist, wo immer wir auch sind.

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1. Erkennen

Wann immer wir erkennen, was ist, stellt sich eine kraftvolle Offenheit ein. Die Erkenntnis öffnet den Weg aus Unwissenheit und Verblendung ins Licht der Freiheit.

2. Akzeptieren

„Wenn du begreifst, sind die Dinge so, wie sie sind. Begreifst du es nicht, sind die Dinge immer noch so, wie sie sind.“ (Zen-Weisheit)

Akzeptanz ist eine bewusste Entscheidung des Herzens, das sich zur Gänze dem zuwendet, was es vorfindet. Wenn wir uns Problemen in einer Haltung der Achtung und des Respekts nähern, können wir auf einmal mit ihnen umgehen.

3. Erforschen

Der Zenmeister Thich Nhat Hanh nennt das „tief blicken“. Zuerst erkennen wir das Problem und akzeptieren es in seiner Beschaffenheit. Dann aber müssen wir es eingehend untersuchen. Wir konzentrieren uns dabei auf die vier Bereiche der Achtsamkeit (=die 4 grundlegenden Bereiche unserer Erfahrung)

  • Körper
  • Gefühle
  • Geist
  • Dharma (Prinzipien und Gesetze unserer Wirklichkeit)
4. Nicht-Identifikation

Nicht-identifizieren heißt, dass wir aufhören, eine Erfahrung mit „Ich“ oder „Mein“ zu etikettieren. Sehr schnell bemerken wir, dass das, was wir für unsere Identität gehalten haben, nur einen augenblickshaften Charakter hat.

Im Buddhismus betrachtet man die Nicht-Identifikation als Hort des Erwachens, als Ende der Anhaftung, als wahren Freiden, als Nirwana.Ohne Identifikation können wir sorgsam leben. Wir lassen uns von den Ängsten und Illusionen unseres kleinen Selbst nicht mehr länger fesseln. Achtsamkeit und furchtlose Präsenz sind uns Schutz.

(Quelle: Kornfield J.: Erleuchtung finden in einer lauten Welt)

    3 Komponenten der Achtsamkeit

     

     1. Modus des Seins
    • Innere und äußere Reize werden bewusst bemerkt und wahrgenommen
    • Lenkung der Achtsamkeit auf den gegenwärtigen Moment
    • Automatische Handlungsreaktionen (Autopilot) werden unterlassen
    • Bewusstheit über den Prozess der Aufmerksamkeitslenkung
    • Beobachtende teilhabende Haltung
    • Bewusstes Handeln
    2. bestimmte Haltung der Erfahrung gegenüber
    • Akzeptanz
    • Nicht bewerten
    • Kein Veränderungswunsch
    • Keine Verknüpfung mit vergangenen Erfahrungen
    • Anfängergeist durch Interesse und Neugier
    • Zuwendung und Zulassen von Erfahrungen versus Vermeiden und Unterdrücken
    • Absicht, achtsam zu sein
    3. Technik
    • Konzentration und Fokussierung führen zu innerer Ruhe
    • Benennen der Erfahrung mit einfachen Worten
    4. Wirkung von Achtsamkeitsübungen
    • Einsicht und Klarblick
    • Verfeinerte Selbstwahrnehmung
    • Erhöhte Toleranz gegenüber bedrohlichem Erleben
    • Ruhe, innerer Frieden und Gleichmut
    • Entwicklung der Freiheit zu handeln oder nicht zu handeln
    • Befreiung von Leid
    • Entwicklung von liebender Güte, Mitgefühl, Mitfreude und Selbstmitgefühl
    • Intensivierung von Wahrnehmung und Erleben
    • Erhöhte Lebensfreude und Lebensqualität
    • Verbesserte zwischenmenschliche Beziehungen
    • Verbesserte Selbstregulation
    • Erhöhte Effektivität des Handelns
    • Zunehmende Präsenz
    • Öffnung für neue Erfahrungen

    Neurobiologische Wirkungen der Achtsamkeitspraxis

    Meditations- bzw. Achtsamkeitspraxis führen nicht nur zu einer Veränderung des subjektiven Erlebens und zu einer Umschaltung im vegetativen Nervensystem sondern auch zu einer nachweislichen Veränderung in den Gehirnstrukturen. Das Gehirn verändert sich benutzungsabhängig. Die lebenslang ablaufenden Lernprozesse nehmen Einfluss auf die Bildung von Nervenzellnetzwerken. Diese entstehenden Strukturen bilden die körperliche Seite für Wahrnehmen, Denken, Erinnern, Fühlen und Verhalten.

    Verdichtung und Zunahme der grauen Substanz und eine Verringerung der Aktivität der Amygdala führen zur Verbesserung der Selbstwahrnehmung und der Selbstregulation. Positive Emotionen stärken das Immunsystem und stabilisieren die Erbsubstanz durch den Anstieg der Telomerase (Telomere=Teil der Zellkerne), wie z.B. Studien zu Alterungsprozessen, Krebserkrankungen, Gefäßerkrankungen, Diabetes gezeigt haben.

    Die Fähigkeit, gut zu beobachten und tief zu schauen um wieder in Balance zu kommen bestätigen auch die aktuellen Ergebnisse der Mind-Body-Medizin, die auf die wechselseitigen Einflüsse von Psyche (Mind), Körper (Body) und Verhalten und auf die direkte Wirkung von Gefühlen, Gedanken, Einstellungen, soziale und spirituelle Aspekte sowie Verhaltensfaktoren auf die Gesundheit hinweisen. Die Wurzeln liegen in der physiologischen und psychologischen Stressforschung 1920-er Jahre in Nordamerika. Die subjektive Bewertung der eigenen Ressourcen hat einen entscheidenden Einfluss auf die Stressregulation. In den 1970-er Jahren erkannte der Kardiologe Herbert Benson an der Harvard Universität die Wirkung des Biofeedbacks und der Transzendentalen Meditation (TM) und Jon Kabat-Zinn, dass sich chronische Schmerzzustände, aber auch Depressivität und Angst durch Achtsamkeitsmeditation dauerhaft besserten. Aaron Antonovsky (israel. Medizinsoziologe, Salutogenese) fand heraus, dass Menschen, die ihre Situation sinnvoll in ihr Leben einordnen können, diese als Herausforderung und nicht als Belastung verstehen und zudem Ressourcen zur Verfügung haben, werden diese gesundheitsfördernd bewältigen.